Starke Konkurrenz bekam das Buch im digitalen Zeitalter, doch für viele Menschen und in vielen Situationen ist es unersetzbar. Es gibt bibliophile Bücher, deren Machart und handwerkliche Qualität begeistert. Oft auch verbinden sich mit Büchern starke Gefühle, beispielsweise bei einem Lieblingsbuch, das jemanden ein Leben lang begleitet oder bei einer Hochzeits- oder Familienchronik. Geht so ein Buch aus dem Leim, ist sein Umschlag abgegriffen oder beschädigt oder bestand die Familienchronik bislang nur als Sammlung loser Blätter, dann ist der Buchbinder gefragt. Wie bei vielen anderen handwerklichen Berufen ging die Zahl der Buchbinderbetriebe in Deutschland in den letzten Jahrzehnten stetig zurück.
Auf eine lange Tradition kann die Buchbinderei im Dominikus-Ringeisen-Werk zurückblicken. Sie wurde im Jahr 1905 gegründet und zählt heute zu einer breiten Palette von Werkstätten für behinderte Menschen im Dominikus-Ringeisen-Werk. Zwei Buchbindermeister arbeiten hier, eine Verwaltungskraft und ein pädagogischer Mitarbeiter. Zahlenmäßig am stärksten vertreten sind die 18 Beschäftigten mit Unterstützungsbedarf, die hier in einer mittelgroßen Halle ganz unterschiedlichen Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Buchbinderei nachgehen. Höre man Buchbinder, denke man zwangsläufig an die Buchherstellung beziehungsweise die Buchreparatur, sagt Betriebsleiter Alexander Schipf. Doch das, was in einer Buchbinderei geschieht, sei viel breiter angelegt. Grundsätzlich zähle dazu alles, was die Weiterverarbeitung von Druckerzeugnissen angehe, schließlich auch der letzte Schritt, das Produkt für den Postversand einzupacken und zu frankieren. Insofern gebe es viele unterschiedliche Tätigkeiten, einfache Handgriffe und solche, die Erfahrung, Übung und Geschick verlangten. Jeder, der hier mitarbeite, könne passgenau zu seinen Fähigkeiten eingesetzt werden und all seine Möglichkeiten der Entwicklung von Fertigkeiten ausschöpfen.
Einen Mitarbeiter hebt Alexander Schipf heraus. Er ist fast blind, verfügt aber über großes Geschick und ungemein viel Gespür. Er ist in der Lage, ein Druckerzeugnis mit einer Fadenbindung zu versehen, den Faden absolut sicher zu führen, obwohl er ihn nicht sieht und sogar einen feinen Knoten, sollte sich mal einer gebildet haben, wieder zu lösen. Aber was hält nun die vielen Seiten eines Buchs verlässlich und dauerhaft zusammen? Ist das Papier perfekt zugeschnitten, der Block ordentlich gerüttelt, so kommt er in eine Vorrichtung, die den Block fixiert, aber die Seite, auf der gebunden werden soll, leicht auffächert. Das ist wichtig, damit der Leim eine möglichst große Angriffsfläche bekommt. Und natürlich geschieht die Auffächerung nach beiden Seiten hin. Der Leim wird aufgetragen, auf die Klebefläche kommt ein Gaze-Klebeband, an beide Seiten wird ein Kapitelband angesetzt und dann muss der Leim trocknen. Überall auf den Tischen in einem bestimmten Teil der Halle befinden sich Stapel von geleimten Papierblöcken zum Trocknen, beschwert mit ausgedienten Bügeleisen als Gewichten. Ist der Leim trocken, wird der „Block“ mit dem vorderen und dem hinteren Deckel sowie dem Buchrücken verbunden, wobei es auf einen sauberen Falz im Übergang vom Buchrücken zum Deckel ankommt, damit das Buch gut aussieht und sich auch gut öffnen lässt. Der Buchrücken und der vordere Deckel werden nun noch beschriftet. Dafür gibt es in der Buchbinderei in Ursberg mehrere Setzkästen mit Bleibuchstaben, aber auch eine Reihe von Klischees, um beispielsweise den Buchdeckel mit Verzierungen zu versehen.
Früher habe man beim Beschriften meist mit Blattgold gearbeitet, erklärt Alexander Schipf, heute verwende man Goldfolie. Buchstaben oder Klischee würden erhitzt, dann mit Druck mittels der Goldfolie dem Buchdeckel eingeprägt. Geschick und vor allem Augenmaß sind dabei nötig. Auf den Zehntelmillimeter genau sollte die Prägung schon erfolgen, meint Alexander Schipf. An Aufträgen und Arbeit mangelt es der Ursberger Buchbinderei nicht. Drei Druckereien liefern ständig Aufträge, die Ursberger Publikationen „Gemeinsam“ und der „Josefsbote“ werden hier hergestellt. Außerdem lassen Anwaltskanzleien ihre Periodika hier binden und viele private Kunden kommen mit beschädigten Büchern zur Reparatur. Etwas Zeit und Geduld sollte der Kunde mitbringen, besonders eilige Aufträge, etwa Magister- oder Bachelorarbeiten würden natürlich sofort bearbeitet, erklärt Alexander Schipf. Er hofft auf Verstärkung seines Teams, denn das Nikolaus-Werk in Dürrlauingen schließt gerade seine Buchbinderei, ein weiterer Schritt zur Konzentration in diesem Handwerk.
Text und Bilder: Dr. Heinrich Lindenmayr