Ministrant mit 87

Wilhelm (Willi) Welcker ist der dienstälteste Messdiener in der Diözese Augsburg. Er lebt in einer Wohneinrichtung des Dominikus-Ringeisen-Werks in Kloster Holzen

Datum: 17. Oktober 2022, 12:58 Uhr
Wilhelm Welcker, den alle nur als „Willi“ kennen, lebt seit dem Jahr 1956 in Holzen. Im Alter von etwa 13 Jahren hat Willi erstmals in Ursberg ministriert. Heute ist er Oberministrant und wird regelmäßig als ältester Ministrant der Diözese bezeichnet.

Wer Wilhelm Welcker – den im Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW) in und um Kloster Holzen alle nur als „Willi“ kennen – trifft, braucht Zeit und erfährt dafür jede Menge, denn Willi lebt schon seit dem Jahr 1956 in Holzen und kennt die örtlichen Gegebenheiten buchstäblich wie seine Westentasche. In der Klosterkirche jedoch, in der Barockkirche St. Johannes der Täufer, scheint der 87-Jährige wie zuhause zu sein. Kein Wunder, denn Willi ist nicht nur der DRW-Bewohner, der am längsten in Holzen lebt, sondern Willi ist auch der älteste Ministrant der Diözese.

Mit diesem inoffiziellen Titel wird er regelmäßig bezeichnet, wenn Hochfeste in der Kirche stattfinden und Willi ganz weit vorn im Altarraum den Platz als Oberministrant einnimmt, erklärt der 87-Jährige. Früher habe er als Einziger und mit weißen Handschuhen an den Händen die Monstranz tragen dürfen, berichtet er mit vor Stolz leuchtenden Augen. Seit der Coronapandemie und durch das hohe Alter von Willi darf er zu ganz speziellen Gottesdiensten als Oberministrant agieren, regelmäßig zu ministrieren sei jedoch zu anstrengend, erklärt Julia Minnich, die als Trainee beim DRW arbeitet und den Einsatz der Ehrenamtlichen betreut. Willi könne allein die Messe am Sonntagmorgen besuchen, erklärt sie. Viele andere, die nur mit Unterstützung von DRW-Personal oder mit Ehrenamtlichen in die Kirche können, müssen sich mit Messen im Fernsehen und im Radio begnügen, berichtet die DRW-Mitarbeiterin, denn das Personal ist knapp.

Den Gottesdienst am Sonntag lässt sich Willi nicht nehmen, erzählt er und zeigt auf den Platz, den er dann einnimmt – ganz vorne und dort wo einst Schwester Ludmilla saß, die zu den letzten Franziskanerinnen auf Kloster Holzen gehörte. Von dort aus ist Willi auch der Erste, wenn der Pfarrer die Kommunion ausgibt, verrät er. Die Abläufe eines Gottesdienstes kennt Willi ebenso detailliert wie die Kirche und die Geschichten, die sich sonst in und um Kloster Holzen zutragen. Bevor er im Jahr 1956 nach Holzen kam, lebte er acht Jahre lang in Ursberg. Dort habe er erstmals – etwa im Alter von 13 Jahren – ministriert und dafür sogar Latein lernen müssen, berichtet er. Mit etwa 21 Jahren ist Willi nach Holzen gekommen, lässt sich aus den vielen Jahreszahlen rekonstruieren, mit denen der Oberministrant um sich wirft. Und in den Erzählungen lässt sich auch ausmachen, dass schon einmal im Ulrich und im Dom ministrieren durfte.

Dass er nicht fit genug sei, um regelmäßig zu ministrieren, ist etwas, was Willi nicht wirklich einsehen will – ebenso wenig wie die Tatsache, dass es für den 87-Jährigen besser und sicherer wäre, den Rollator zu nehmen, um von der Wohngruppe Placidus zur Kirche zu gehen. Dort angekommen huscht er nämlich recht flott in seinem schwarz-weißen Messgewand durch die Klosterkirche, die als Wallfahrtsort und Pilgerstätte weit über die Grenzen Holzens hinaus einen Namen hat. Schnell öffnet Willi die Tür zum Beichtstuhl und verrät, dass dieser schalldicht und sehr teuer gewesen sei. Zum Marien- und Annaaltar weiß er ebenso etwas zu berichten wie zum Erzengel Michael und zu Zacharias, die einem Besucher beim ersten Blick sicherlich verborgen bleiben würden.

Willi würzt seine Tour durch die Kirche gerne mit geschichtlichen Hintergrundinformationen, wie etwa dem Jahr 1710, indem Kirche und Kloster geweiht wurden, und ganz persönlichen Empfindungen, wie etwa, dass er die Klosterkirche als die zweitschönste Barockkirche Süddeutschlands bezeichnen würde. Nur die Basilika der Benediktinerabtei Ottobeuren gefalle ihm noch besser, erklärt er und verrät, dass er erst kürzlich – bei einem Besuch in der Zisterzienserinnenabtei Oberschönenfeld – reichlich eingekauft habe, denn eine weitere Passion des 87-Jährigen sei das Sammeln von Rosenkränzen. Von denen habe er bei einem Ausflug nach Oberschönenfeld gleich zwei Stück gekauft, die nun seine Sammlung von 20 Rosenkränzen ergänzen, berichtet er.

Sie finden Platz zwischen den FC-Bayern-Fanartikeln in seinem Zimmer, die eine weitere Leidenschaft des 87-Jährigen deutlich machen: den Fußball. Über die Spielfähigkeiten des FC Bayern weiß Willi ebenso viel zu berichten wie über die Klosterkirche und seine Zeit in Holzen. Für die anderen Bewohnerinnen und Bewohner ist Willi, der nun bald sein 75-jähriges DRW-Jubiläum feiern könnte, Freund, Ersatz-Opa und Geschichtenerzähler in einem. In der Placidus-Wohngruppe, in der er lebt, übernimmt er regelmäßig Dienste, wie etwa täglich die Post aus dem Briefkasten zu holen.

Text/Bild: Augsburger Allgemeine/Steffi Brand

INFO     Wer sich ehrenamtlich beim DRW engagieren möchte und vielleicht so dem einen oder anderen Mitbewohner von Willi auch den Besuch eines Gottesdienstes ermöglichen kann, kann sich unter 08273/798-202 oder per Mail bei julia.minnich@drw.de melden.

 

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