Bedingungstaufen

Text von Holger Lauerer

Der versperrte Himmel

Jesus und die ersten Christen liesen sich als Erwachsene taufen, um so einen unlösbaren Bund mit Gott eizugehen.

Im Markusevangelium (MK 16,16) steht hierzu:

 „Wer glaubt und sich taufen lässt wird errettet, wer aber nicht glaubt wird verdammt werden…“

Diese Aussage galt als „Tertium non dator“ (eine dritte Möglichkeit wird es nicht geben). Ab dem 2. Jhd. nach Chr. begann neben der Erwachsenentaufe, nun auch die Kinder -und Säuglingstaufe.

Mit dem Konzil von Karthago 418 wurde die Interpretation von Augustinus von Hippo, dass nur Personen die getauft sind, von der Erbsünde befreit werden, ein kirchliches Gesetz und Grundlage des Kirchenrechtes.

Dieser Grundsatz der als „Communis opinio“ galt, war bei den Kirchenrechtlern (Scholastikern) nicht unumstritten, da Kinder, die tot geboren wurden, nach Augustinus mit der Erbsünde behaftet waren und somit der „Poena sensus“ (peinlichen Bestrafung), später der „poena mitissima“ einer abgemilderten Form, in der Hölle ausgesetzt wurden.

Wer glaubt und sich taufen lässt wird errettet, wer aber nicht glaubt wird verdammt werden…
Markusevangelium (MK 16,16)

Einführung und Abschaffung des Limbus

1145 wurde die Unterteilung der Hölle neu interpretiert und Willhelm von Auxerre führte den „Limbus puerorum“  ein, eine Art „Stillstandsraum“ für ungetaufte Kinder, die zwar nicht bestraft wurden, aber in absoluter Dunkelheit nicht am Antlitz Gottes teilhaben konnten und dieser Zustand würde sich auch bis in alle Ewigkeit nicht ändern. Somit konnten ungetaufte Kinder weder in den Himmel gelangen, noch der Leichnam auf einem Friedhof beigesetzt werden.

2007, 862 Jahre nach Einführung, wurde der „Limbus puerorum“ von Papst Benedikt dem 16. aus dem Kirchenrecht genommen.

Der physische und spirituelle Tod

Für die heutige Zeit mag das alles sehr befremdlich klingen, für die Menschen vor 1000 Jahren war die Situation eine andere. Der physische Tod war ein alltäglicher Begleiter und bei der hohen Kindersterblichkeit, Kriegen und einer eingeschränkten Ernährungs- und Hygienesituation nicht abwendbar.

Der spirituelle Tod hingegen war durch bewusstes Handeln (Einhalten von Regeln und Geboten) beeinflussbar und ein unverschuldeter Aufenthalt in der Hölle bzw. ein nicht Erlangen des himmlischen Friedens erzeugte bei vielen betroffenen Menschen psychische Nöte, die im Folgenden für besondere Phänomene verantwortlich waren.

Bedingungstaufen unter dem "wundertätigen Ursberger Kreuz"

Der Südtiroler Pfarrer Georg Stochert berichtet in einer Weissagung von der Wundertätigkeit eines Kreuzes in Ursberg, und die Geschichte nahm seinen Lauf…

Probst Joseph Dür holte sich 1686 vom Bischöflichen Ordinariat zu Augsburg, die Genehmigung vor dem „Ursberger Kreuz“ Bedingungstaufen durchzuführen.

1730 wurde diese Genehmigung durch den Papst zurückgenommen.

In den 42 Jahren dazwischen wurden über 24.000 tote Säuglinge nach Ursberg gebracht, wovon zwischen 2.100 und 3.360 unter der Bedingung, „dass sie leben“ getauft wurden.Somit war Ursberg im 17./18 Jhd. der größte Wallfahrtsort in Europa, mit einem Einzugsgebiet von mehr als 100km.

Aber,

war Ursberg damit ein Einzelfall? 

Nein, eher das Ende der Geschichte!

Am 8.September 1686 zeigte das totgeborene Knäblein Georg Vögele nach vier Gebetstagen vor dem Wundertätigen Kreuz in der Feldkapelle am Bildsäulenacker ‚kleine‘ Lebenszeichen und wurde getauft.
Der Südtiroler Pfarrer Georg Stochert berichtete von der Wundertätigkeit eines Kreuzes in Ursberg.

Die Taufe in der christlichen Kirche

Grundsätzlich verstehen wir in der christlichen Kirche die Taufe als Aufnahme in der Kirchengemeinschaft und ein Bündnis mit Gott, das unlösbar ist. Eine Taufe kann nur einmal gespendet werden, die Voraussetzung ist die Geburt des Täuflings und dass er lebendig ist.
„eine Taufe im Mutterleib ist nicht möglich, da wer nicht geboren, der kann auch nicht wiedergeboren werden“.
Es gibt noch zwei zusätzliche, bis heute praktizierte Taufen:
-die Konditionaltaufe, für Menschen die nicht wissen, ob sie richtig getauft wurden (z.B. bei Nottaufen, Krieg oder Katastrophensituationen etc.)
-und die Bedingungstaufe, wo die Taufe unter der genannten Voraussetzung (Bedingung) gespendet wird, z.B. dass der Täufling lebt oder dass er bisher noch nicht getauft wurde.

Bedingungstaufen: Geschichte und Verbreitung in Europa

Bisher ging man davon aus, dass das Phänomen der Bedingungs- und Aufschubtaufen Mitte des 12. Jhd. begann, nach neuesten Untersuchungen in Eggoldsheim gab es sie bereits Mitte des 11. Jhd. (1029)

Erbaten die Frauen (Hebammen) im 13. Jhd. nach der Geburt eines toten Säuglings den „repit domestique“ (Aufschub zu Hause) um eine Nottaufe durchzuführen, so wurde dem bald Einhalt geboten, da die Taufe beim Eintragen in das Pfarrregister eingeschränkt, angezweifelt und verweigert wurden.

Nun entstand das „Sanctuaris a repit“ (das Wunder aus einem Heiligtum).

Die toten Kinder wurden zu einer Heiligenfigur, Statue oder anderen sakralen Gegenständen in einer Kirche oder Kapelle gebracht und ausgestellt. Unter dem Einfluss des Gegenstandes konnte das Kindlein zu kurzem Leben erwachen, getauft und anschließend beerdigt werden.

Diese Praktiken waren bei Bischöfen und im Vatikan nicht unumstritten, aber vor Ort meist in ländlichen Gebieten praktiziert und überregional beworben. Von der Evangelischen Kirche im 16. Jhd. verboten, lebte das Phänomen in der katholischen Gegenreformation wieder auf.

Neben dem Aufschub zu Hause und dem Wunder in der Kirche, gab es in Frankreich die „le bapteme sur le poent“ (die Taufe auf der Brücke) als Übergang zwischen Leben und Tod. Wenn es zu keinem Wunder kam, so gab es in einigen südlichen Regionen Europas die sogenannten „Traufkinder“. Die Leichname wurden heimlich unter der Kirchentraufe (Dachkante) begraben, in der Annahme, dass das Regenwasser, das auf das Kirchendach falle zu einer Art „Ersatzweihwasser“ wurde und die begrabenen Leichname benetze und dadurch eine Art Taufe gegeben war.

Bei Ausgrabungen in Eggolsheim bei Bamberg wurden Kinderknochen in Reihe gefunden und mit der C14 Methode auf das Jahr 1029 datiert. Somit gab es diese Praktiken schon länger als bisher vermutet.

Ursberg war mit seinem Wundertätigen Kreuz nicht allein. Zwischen dem 12. und 19. Jhd. gab es in Europa um die 460 Standorte mit „Sanctuaires a repit“.

279 in Nordfrankreich
56 in Belgien
42 in Norditalien
38 in Österreich
30 in der Schweiz
14 in Süddeutschland