Die ersten 100 Jahre in Ursberg
Text von Holger Lauerer
Ein neuer Orden erobert Süddeutschland
Mit dem Einzug Probst Ulrich I. in Ursberg beginnt nicht nur klösterliches Leben in der mittelbaren Umgebung, sondern auch ein für Süddeutschland komplett neuer Orden.
Bis 1125 gab es in der Diözese Augsburg bereits 26 Klöster. 20 davon waren Benediktinergemeinschaften, ein Teil bereits über 400 Jahre bestehend.
Die 4 Kollegialstifte (Säkularkanoniker) und die Gemeinschaft der Augustiner Chorherren waren mit Standorten in Augsburg, Lindau und Diesen weit von Ursberg entfernt.
Somit löste die neue Ordensgemeinschaft eine regelrechte Eintritts- und Stiftungswelle in der Region aus, so dass bereits
1126/30 in Roggenburg,
1128 in Osterhofen,
1140 in Schöfflarn
sowie 1142 in Neustift bei Freising
Tochterklöster der Ursberger Gemeinschaft entstanden.

Hinweis
Nicht alle nun entstehenden Prämonstratenser Klöster waren Töchter des Ursberger Klosters.
Das 1147 in Steingarden gegründete Kloster wurde zum Beispiel von Chorherren und Ihrem Probst aus Rot an der Rot besiedelt, das wiederrum ein Jahr nach Ursberg 1126 direkt vom Mutterkloster Premontre gegründet wurde.
Wachstum durch Pfarreien und Güter
Damit die Gemeinschaft ihre Ziele:
Predigt, Unterricht, Pfarrseelsorge
erreichen konnte, benötigte es zum einen eine solide wirtschaftliche Basis zum anderen Pfarreien.
Neben der klostereigenen Kirche in Ursberg kamen durch Stiftungen, Käufe und Papst Zuweisungen in den ersten 100 Jahren 8 Pfarreien hinzu:
- Attenhausen (1139)
- Bayersried (1139)
- Gruibingen (1184)
- Auendorf (1184)
- Kemnat (1197)
- Hasberg (1198)
- Drachenstein (1204)
- Hälberingen (1216)

Pfarreien
Kirchenrechtlich waren die Pfarreien mit ihrem Kirchenspiel Ausdehnung der Verkündigung nicht mit den topographischen Größen von Ortschaften identisch und auch unabhängig voneinander. besitztechnisch waren Ort und Pfarrei zwei Bereiche, die nicht dem gleichen Besitzer unterstehen musste.
Der eingesetzte Pfarrer hat gegenüber seiner Gemeinde Rechte und Pflichten: Zu den Pflichten gehörten neben den Gottesdiensten und der Predigt, das Spenden der Sakramente und die Seelsorge.
Im Gegenzug war er Inhaber des Pfarrbenefiziums (das unabhängige Wohnhaus), zog Abgaben und den Zehnt ein, der zum Erhalt der Kirche und der Versorgung des Pfarrers verwendet wurde.
Zusätzlich war er vornehmlich im ländlich Raum Grundherr und konnte Landwirtschaft und Viehhaltung betreiben.
Zusammengefasst bedient eine Pfarrei bereits die Ziele der Predigt und der Seelsorge, gleichzeitig versorgt es das eingesetzte Personal und mit dem Überschuss das Kloster.
Leiter des Ursberger Klosters
Als Grundlage oder Startkapital für die Gemeinschaft erhielt das Kloster Ursberg bereits ab der Gründung Pfarreien und landwirtschaftliche Güter mit entsprechendem Grundbesitz, zudem wechselten ganze Dörfer wie z.B. 1130 Bayersried und 1179 Hausen (heute Edenhausen) in den Besitz der Klostergemeinschaft. In der Bulle „Religiosam ritam“ von Papst Innozenz III. am 6.6.1209 werden zu dem Kloster 9 Pfarreien und 38 auswärtige Güter erwähnt. Aus den Besitzunterlagen lassen sich weitere 35 Güter nachweisen, die nicht in der Bulle erwähnt werden. (s. Wirtschaftliche Entwicklung)
In den ersten 100 Jahren seit Einzug wurde die Gemeinschaft von 8 Pröbsten geführt.
Dass die Wahl eines Probstes im Kloster Ursberg durchaus die Aufmerksamkeit der weltlichen Welt und deren Herrscher erlangte, zeigt sich im positiven wie im negativen Sinne.
Konnten Probst Grimo und Probst Burchard durch persönliche Beziehungen ihrer Herkunft sowie entsprechendem diplomatischen Geschick und Wissen Einfluss beim Kaiser erreichen um die Situation für die Kloster Gemeinschaft zu verbessern (Schenkungen, Ernennung zum Reichsstift, erlangen des Königlichen Schutzes usw.),
so gefiel die Wahl des Probstes Walcho Kaiser Friedrich I. nicht und er belegte das Reichsstift mit Vogtabgaben um sein Missfallen aufzuzeigen und somit auf zukünftige Probstwahlen indirekt Einfluss zu nehmen.
von | bis | Pröbste |
---|---|---|
1125 | 1136 | Ulrich I. |
1136 | 1173 | Grimo |
1173 | 1178 | Walcho |
1178 | 1182 | Dietrich I. |
1182 | 1203 | Ulrich II. von Hasberg |
1204 | 1206 | Ulrich III. |
1206 | 1215 | Friedrich I. |
1215 | 1226 | Burchard |
1226 | 1240 | Konrad von Lichtenau |
Gewaltenteilung
Heute unterscheiden wir die Gewalten des Staates in:
Die Gesetzgebende Gewalt (Legislative): Regierung
Die Rechtssprechende Gewalt (Judikative): Gericht
Die Ausführende Gewalt (Exekutive): Polizei
Durch die Trennung dieser drei Gewalten wird die größtmögliche Gerechtigkeit für den Bürger erlangt.
Im Früh und Hochmittelalter war dies nicht so.
Der Kaiser hatte neben der Legislative die Judikative und mit seiner eigenen Arme die Exekutive.
Der Adel hatte neben der Exekutive (Wehrstand) auch die niedere oder hohe Gerichtsbarkeit, also Judikative.
Da der Kaiser oder König nicht oder nur selten persönlich vor Ort sein konnte, versuchten viele Adelsgeschlechter einen Vertreter ihrer Familie in das Gefolge des Herrschers zu positionieren.
Dies bedeutete das Entscheidungen zu den jeweiligen Gunsten der Familie, aber auch eines Klosters beinflussbar war. Heute würde man das eine Art von Lobbyismus nennen.
Verpfändung und „die Tyrannei der Niffen“
(Zitat von Porbst Burchard in der Ursbergensis)
Stand das Kloster Ursberg 1125 – 1167 unter der Eigenvogtei der Schwabegger Herren so erlangten sie bereits 1143 den Status Reichskloster unter König Konrad II., so dass sie das Vorrecht hatten kaiserlichen Schutz ohne Vogtabgaben zu erlangen.
Dies änderte sich mit dem Tod des letzten Schabeggers 1167 und der Einverleibung in das Haus König Friedrichs der Staufer.
1198 verpfändet König Philipp das Kloster an „Berthold von Niffen“ in Neuburg an der Kamel, 1201 konnte es wieder ausgelöst werden. 1212 wurde das Kloster erneut durch Kaiser Friedrich II. verpfändet (wieder an die Herren von Kamel), 1226 wurde das Kloster erneut ausgelöst und unter Einfluss Probst Burchard unter kaiserlichen Schutz gestellt.
Die Verpfändung und „die Tyrannei der Niffen“ (Zitat Probst Burchard Ursbergensis) hatte für das Kloster Ursberg drastische Folgen, da die Herren von Schloss Neuburg an der Kamel mindestens zweimal (1199 und 1224) im Kloster Feuer legen liesen, als Rache der Pfandauslösung.
Mit dem „Waschhausbrand“ im Frauenbereich des Klosters 1142 erlebte die Gemeinschaft in den ersten hundert Jahren bereits 3 x Zerstörung durch Feuer und wirtschaftliche Einbußen durch den Wiederaufbau. Leider sollte es in den nun folgenden 800 Jahren nicht dabeibleiben.