Burchard von Ursberg
Text von Holger Lauerer
Burchard von Ursberg und seine Ursbergensis: Ein Mann, ein Ort, eine Aufgabe
Beschäftig man sich etwas genauer mit dem Hochmittelalter (ab 1125) und dem Römischen Reich Deutscher Nation, so taucht recht schnell ein Name auf:
Burchard von Ursberg
Chronist Friedrich des II., Autor des „Conicum Abbotis Urspergensis a Nino“
Mitwirkender der Welfenchronik
Wer war Burchard von Ursberg?
- Sein Geburtsjahr wird auf 1177 (und vorher) angegeben im Ort Biberach.
- Seine Ausbildung in den sieben Künsten und sein Theologiestudium erlangte er vermutlich in Kloster Schussenried oder Kloster Weissenau oder in der Domschule zu Konstanz. (keine Quellenangaben)
- 1202 Weihe zum Priester in Konstanz durch Bischof Dietholm von Konstanz
- 1205 Eintritt in das Prämonstratenserkloster Schussenried
- 1207 Ablegen der Profess
- 1209 Wahl zum Probst von Schussenried
- 1215 Wahl zum Probst von Kloster Ursberg
- 1226 Abdankung oder Abwahl (keine Quellenangaben)
- 1231 10/11.Januar Todestag.

Fehlendes Geburtsdatum
Wie bei vielen seiner Zeit gibt es auch für Burchard kein Geburtsdatum, kein Geburtsregister, kein Standesamt.
Wie kommt man nun zu dem Schluss das er vor 1177 geboren sein muss?
Mit der Spende des Sakramentes der Priesterweihe wird die Person im System Kirche aktenkundig und mit der Person auch die Jahreszahl und der Sakramentenspender, also der Bischof.
Durch den Bischof kann die Diözese und somit der Geburtsort festgestellt werden, hier also Biberach an der Riß und nicht Biberach bei Roggenburg.
Durch den Geburtsort kann man mit dem zuständigen Gesetzbuch (hier Schwabenspiegel) die Volljährigkeit bestimmen (25Jahre). Wird die Volljährigkeit vom Datum der Priesterweihe (1202 – 25) abgezogen kommen wir zum spätmöglichsten Zeitpunkt der Geburt also 1177 oder früher.
Der Gelehrte und Probst
Einer der interessantesten Punkte bei Burchard von Ursberg ist die Frage: Wie gelangt eine Person unbekannter Herkunft in dieser Zeit zu so einer guten Ausbildung, die ihm die Grundlage für seine weiteren Studien ermöglicht?
„Wolfgang Wulz“ (Lehrer, Schriftsteller und Mundartforscher) versucht in seiner Dissertation von 1982 aus Textpassagen der Chronik durch Verwendung von Begriffen und Zitaten einen erlernten Wissenstand der sieben Künste abzuleiten, den er in den Bildungsstätten um Biberach an der Riß, in Schussenried, Weissenau oder Konstanz erlangt haben könnte. Desweitern erwägt er Zusammenhänge mit einer wohlhabenden Magistraten Familie aus Biberach von der er abstammen könnte, was die Möglichkeit der Ausbildung erklären könnte.
Auch völlig ungeklärt ist die erste Romreise 1198, die er wahrscheinlich im Gefolge eines Adeligen oder hohen Geistlichen machen konnte. Die Rahmenbedingung sind unbekannt.
In seiner Schussenrieder Zeit von 1205 – 1215 stieg er schnell auf und wurde bereits nach 4 Jahren zum Probst ernannt. Hier entstanden die ersten Bereiche seiner Chronik, die überwiegend auf andere bereits bestehende Chroniken zurückzuführen sind. Herausragend sind die Chroniken Eusebius (Spätantiker Geschichtsschreiber + 339) und Ekkehard von Aura („Chronica Ekehardi“) beide als Handschriften im Kloster Zwiefalten vorhanden und für Burchard zugänglich.
1211 nach W. Wulz, 1211 und 1212 nach FvSG (Freiherr von Stein Gedächtnisausgabe) gab es weitere Romreisen. Hier eignete er sich großes Wissen im Bereich „Römischen- und Kanonischen Rechtes“ nach „Irnerius von Bologna“ und „Gratian“ an, obwohl er nachweislich die Wirkstätten der beiden nicht besucht hat. Auch die Tatsache, dass er päpstliche Bullen vor deren Veröffentlichung bereits kopieren konnte, zeugt von einflussreichen Förderern im inneren Bereich des Vatikans.
All dieses erlangte Wissen wurde für das Kloster Ursberg später sehr wertvoll, für Kloster Schussenried waren die vielen Reisen weniger erfreulich.
So findet sich unter seinem Namen im „Kettenbüchlein von Schussenried“ der Eintrag: „Erlahmung und wenig Fortschritt“.
Trotz dieser wenig schmeichelhaften Beurteilung wurde Burchard nach Ursberg berufen, um das durch die Verpfändung des Kaisers in Notlage geratene Kloster zu stabilisieren, was durch sein außergewöhnliches Rechtswissen und seinen Einfluss auf das Haus der Staufer auch gelang.
Burchard konnte mehrere Güter und die Pfarrei Hälberingen für das Kloster erlangen und bei Bischof und Papst legitimieren lassen, sowie das Kloster gegen 200 Silbertaler aus der Verpfändung freikaufen.
Der Chronist
Der zweite Teil der Chronik entstand nach seiner Abdankung/ Abwahl 1226 zwischen 1229 und 1230.
Neben vielen Beschreibungen und Namenserwähnungen, die mutmaßlich aus persönlich gehörtem oder erlebtem stammen (sie werden in anderen Chroniken so nicht erwähnt), müssen zwei Bereiche herausgehoben werden:
Zum Einem die Übersetzung des deutschen Rechts von Magister Petrus Beneventanus dem Notar Papst Innozenz III. +1220 aus dem Lombardischen und die Ausführungen der „Deutschen Bannstrafen“ sowie der „Landfriedensgesetze“ Kaiser Friedrich Barbarossas 1186/87.
Dieses für seine Zeit herausragende Wissen wurde auch von der Kirche insoweit verwendet, als dass er mehrmals als „Kurialer Schiedsrichter“ eingesetzt wurde.
Sein Einfluss muss so bedeutend gewesen sein, so dass sein Name mehrmals von Urkundenfälschern als Legitimation eingesetzt wurde.
Mit dem Tod Burchard 1231 geriet die Chronik in Vergessenheit und wurde durch den Augsburger Humanisten Konrad Peutinger wiederentdeckt und veröffentlicht.
Und so ist der „Probst aus Schwaben“ mit dem Namen des Ursberger Klosters bis heute nur wenig Interessierten bekannt, obwohl er für die damalige Zeit Weltgeschichte in Worte fasste.

