„Die Opfer bekommen jetzt Aufmerksamkeit, die sie schon längst verdienst haben“

Stellungnahme des Dominikus-Ringeisen-Werks zum Beschluss des Bundestages, die Opfer der „Euthanasie“ als Verfolgte des NS-Regimes anzuerkennen.

Datum: 30. Januar 2025, 13:14 Uhr
Schülerinnen und Schüler aus Ursberg haben am 27. Januar für die Opfer des Nationalsozialismus eine eigene Gedenkveranstaltung durchgeführt.
Wolfgang Tyrychter leitet den Vorstandsbereich „Teilhabe und Assistenz“ im DRW.

Berlin/Ursberg / 30. Januar 2025 – Es hat lange gedauert: Rund 80 Jahre nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 hat der Deutsche Bundestag am 29. Januar mit den Stimmen aller Fraktionen und Gruppen endlich auch behinderte und psychisch kranke Menschen, die in der NS-Zeit ermordet und misshandelt wurden, ausdrücklich als Opfer des NS-Regimes anerkannt. Einen entsprechenden Antrag hatten SPD, Union, Grüne und FDP eingebracht. Dadurch werden auch die Menschen als NS-Opfer anerkannt, die von den Nazis zwangssterilisiert wurden.

Das Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW) hatte aus Anlass des internationalen Holocaust-Gedenktages am 27. Januar die Politik nochmals eindringlich aufgefordert, das Leid der Betroffenen und Angehörigen endlich angemessen zu würdigen, so wie es auch der Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung vorsieht. Durch den gestrigen Beschluss des Bundestages bekommen die Opfer der T4-Aktion sowie der Zwangssterilisation die Aufmerksamkeit und Anerkennung, die sie lange schon verdient haben. Die Nationalsozialisten hatten sie in sogenannten „Heil- und Pflegeanstalten“ ermorden lassen. Schätzungen gehen von 300.000 getöteten und 400.000 zwangssterilisierten Menschen aus.

Wolfgang Tyrychter, Vorstandsmitglied des DRW: „Für die Menschen, die sich seit vielen Jahren für die Aufarbeitung der T4-Aktion und der Zwangssterilisation einsetzen, ist dieser Beschluss eine echte Bestätigung ihres Engagements. Nach einem langen Anlauf – zum Teil haben sich Personen hier über Jahrzehnte eingesetzt – ist nun eine Bestätigung durch das höchste politische Beschlussgremium unseres Landes erfolgt.“ 

Gerade im jetzigen gesellschaftlich-politischen Klima sei es wichtig, sich die Folgen einer rein leistungsorientierten Bewertung von Menschen bewusst zu machen, so Tyrychter. Die Nazis hatten Menschen mit Behinderung als unproduktiv und damit als Belastung für den Staat angesehen. „Der Grat ist diesbezüglich sehr schmal: Schnell werden Personenkreise oder Gruppen in der Gesellschaft identifiziert, die scheinbar nur Kosten verursachen und dadurch stigmatisiert und als Sündenböcke abgestempelt werden.“ Tyrychter ist zuversichtlich, dass die nun folgende wissenschaftliche Aufarbeitung und der weitere Aufbau einer Erinnerungskultur dazu beitragen werden, die Lehren aus den schrecklichen Vorgängen für die Gegenwart zu ziehen.

In Ursberg, dem Stammsitz des Dominikus-Ringeisen-Werks, sowie an den DRW-Standorten in Maria Bildhausen in Unterfranken und Kloster Holzen bei Allmannshofen gibt es Erinnerungsstätten an 379 getötete Menschen mit Behinderung aus dem DRW. Schülerinnen und Schüler der Dominikus-Schule und des Ringeisen-Gymnasiums in Ursberg führen jährlich eine gemeinsam gestaltete Gedenkveranstaltung durch. Ebenso wird die Bayerische Landesausstellung 2027 in Ursberg einen Schwerpunkt zu diesem Thema setzen. Darauf verwies während der Debatte im Bundestag die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär, die dort auch über die Opfer der Euthanasie aus dem Dominikus-Ringeisen-Werk sprach. 

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