Petition für die Opfer der Euthanasie

Jetzt mithelfen und online unterzeichnen.

Datum: 09. September 2024, 16:20 Uhr
Der Gedenkort „Menschen aus unserer Mitte“ im Klostergarten des Ursberger Mutterhauses erinnert an die Opfer der Euthanasie und erzählt deren Schicksal anhand von 14 Biografien.
Martin Riß, Vorstandsvorsitzender und Geistlicher Direktor des Dominikus-Ringeisen-Werks
Wolfgang Tyrychter, Vorstandsmitglied des Dominikus-Ringeisen-Werks und 1. Vorsitzender des Bundesverbands Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V. mit Sitz in Berlin

Ursberg/Maria Bildhausen/Kloster Holzen / 6. September 2024 – Schätzungsweise 300.000 Menschen wurden während der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1939 und 1945 aufgrund ihrer Behinderung oder einer psychischen Erkrankungen ermordet. Ihr Leben galt nach der NS-Ideologie als „nicht lebenswert“. Das Euthanasieprogramm „Aktion T4“ organisierte die planmäßige Verschleppung und Ermordung. Bereits ab 1933 wurden 400.000 Menschen von den Nazis zwangssterilisiert. Da sie nicht dem Idealbild des Nationalsozialismus entsprachen, sollte ihnen die Fortpflanzung versagt werden. Auch dabei starben Tausende Menschen an den Folgen des medizinischen Eingriffs oder erlitten dauerhafte gesundheitliche Schäden. 

Keine offizielle Anerkennung

Aus den Einrichtungen des Dominikus-Ringeisen-Werks in Ursberg, Maria Bildhausen (Unterfranken), Kloster Holzen und Pfaffenhausen wurden zwischen 1939 und 1945 519 Menschen gewaltsam verschleppt. 379 von ihnen wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Über 200 Menschen wurden gegen ihren Willen sterilisiert. „Diese Personengruppe eint, dass sie bis heute nicht offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt sind. Und das, obwohl sogar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung die Umsetzung einer entsprechenden Anerkennung benannt ist“, sagt Wolfgang Tyrychter, Vorstandsmitglied des Dominikus-Ringeisen-Werks und 1. Vorsitzender des Bundesverbands Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V. mit Sitz in Berlin.

Petition für die Opfer

Eine Petition soll jetzt den Anerkennungsprozess unterstützen. Vom 6. September bis 18. Oktober werden bundesweit Unterschriften gesammelt, um die notwendige Summe von 30.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner zu erreichen. Zahlreiche Einrichtungen und Institutionen der Behindertenhilfe und aus dem Bereich der Psychiatrie unterstützen diese Petition, die von der Ruth-Fricke-Stiftung initiiert wurde. 

Auch dem Dominikus-Ringeisen-Werk ist eine offizielle Anerkennung der Opfer ein großes Anliegen: „Die Aufarbeitung des Geschehens und der Verbrechen, die im Rahmen der sogenannten Aktion T4 und unter der Herrschaft der Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderungen verübt wurden, ist uns seit langem wichtig. Die auch offizielle Anerkennung und Entschädigung des begangenen Unrechts sind vielleicht späte, aber wichtige Zeichen. Wer die Petition unterstützen möchte, kann dies online über die Webseite des Deutschen Bundestags tun“, sagt Wolfgang Tyrychter.

Erinnerungskultur wichtiger denn je

Dass es sehr bedeutsam ist, die Erinnerung daran wachzuhalten, zeige die aktuelle derzeitige politische Entwicklung. „Es ist zu befürchten, dass die Haltung, behindertes Leben als Leben zweiter Klasse  - mit weniger Rechten und weniger Wertschätzung – zu betrachten, wieder Raum bekommt. Dem kann auch eine gute und wissenschaftlich fundierte Erinnerungskultur, wie sie in Ursberg und Maria Bildhausen bereits an mehreren Stellen geschaffen wurde, öffentlich entgegenwirken“, so Wolfgang Tyrychter weiter.

Im Dominikus-Ringeisen-Werk gibt es aktuell vier Gedenkorte für die Opfer der Euthanasie: Seit 1984 erinnert eine Stein-Stele auf dem Ursberger Klosterfriedhof an die 379 Menschen, die von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer Behinderung ermordet wurden. 2004 wurde ein  Mahnmal zentral im Ursberger Klosterhof angelegt, das zudem an die Toten, Vermissten und Gefallenen der beiden Weltkriege erinnert. 2017 wurde in Maria Bildhausen in Unterfranken das Mahnmal „Haus wider des Vergessens“ gesegnet. Auch aus den dortigen Einrichtungen des Dominikus-Ringeisen-Werks wurden Menschen mit Behinderung deportiert und ermordet. 2023 wurden mit dem Gedenkort „Menschen aus unserer Mitte“ im Ursberger Klostergarten 14 Einzelschicksale von Opfern der Euthanasie sichtbar gemacht. Auch dem geistlichen Direktor und Vorstandsvorsitzenden des DRW, Martin Riß, ist das Erinnern an die schrecklichen Verbrechen angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen ein wichtiges Zeichen: „Leitend für unser Denken und Handeln sind diese Worte der Autorin und Bildhauerin Dorothea Buck, die selbst in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung lebte und im Jahr 1936 im Alter von 19 Jahren aufgrund ihrer Behinderung von den Nationalsozialisten zwangssterilisierte wurde: ‚Was nicht erinnert wird, kann jederzeit wieder geschehen, wenn die äußeren Lebensumstände sich entscheidend verschlechtern.“

Die Ursberger Gedenkorte sind seit kurzem auch in der digitalen Gedenkstätten-Übersicht der Berliner Stiftung „Topographie des Terrors“ gelistet. Auf www.gedenkstaettenforum.de werden etwa 300 Gedenk- und Dokumentationsstätten sowie Erinnerungsorte aufgeführt, die in ganz Deutschland an historischen Orten über Verbrechen des NS-Regimes aufklären und der unterschiedlichen Opfergruppen gedenken. Zudem sind ca. 600 weitere Gedenkstätten weltweit aufgeführt, die sich mit den Opfern der NS-Verfolgung und des Zweiten Weltkriegs befassen. 

Zur Petition:

https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2024/_08/_08/Petition_171336.html

 

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