Die Entstehung von Ordensgemeinschaften

Text von Holger Lauerer

Ursprünge christlicher Gemeinschaften

Heute stellt sich die Kirche überwiegend als Institution mit Sitz im Vatikan (Rom) und vor Ort in den Gemeinden dar. Dies war aber nicht immer so. Nach dem Tod Jesu Christi flüchtete ein Teil der Apostel in die Diaspora nach Rom, das sich schnell als Standort der neuen Religionsgemeinschaft entwickelte.

Unabhängig von der „Amtskirche“ in Rom entwickelten sich in der Heimat Jesu, im Bereich um das heutige Israel, Syrien, Iran, Türkei und Griechenland sowie in Nordafrika, Gemeinschaften von Menschen, die gemeinsam die Lehren Jesu leben wollten. Die Grundlage der heutigen Ordensgemeinschaften.

Was bewegt Menschen ihr bisheriges zum Teil selbst bestimmtes Leben aufzugeben, um in Gemeinschaften für ein Ziel zu leben? Hierfür gibt es drei Ursachen:

  • Das Ideal des enthaltsamen (asketischen) Lebens
  • Zusammenschluss von Gleichgesinnten
  • Der Ausstieg aus der Welt (Anachoretentum)

Zu 1: In jeder Gesellschaft die einen gewissen Lebensstandard erreicht hat, entsteht das Bedürfnis nach Einfachheit und Ursprünglichkeit, dem sogenannten „Ideal des asketischen Lebens“. Heute begegnen wir diesem Phänomen in der „Öko-Bewegung“, bei Minimalisten, dem Tiny-Haus oder der Survival Bewegung.

Zu 2: Die menschliche Tendenz eigene Interessen mit Gleichgesinnten gemeinsam aus zu üben und sich zu Gemeinschaften zusammen zu schließen. Heute Vereine, Landkommunen, Communities und Umweltaktivisten.

Zu 3: „Anachorentum“ der Auszug aus der Welt. Sich aus seiner bisherigen Welt, seinem bisherigen Leben zurückzuziehen, um etwas Neues zu beginnen; einen Schlussstrich ziehen, auszusteigen, auswandern, Van-Life

Diese drei Gründe alleine schaffen es noch nicht große Mengen von Menschen zu bewegen. Erst eine sogenannte „Zündung“, ein einschneidendes Erlebnis oder Ereignis, kann dazu führen, dass Menschen ihr altes Leben aufgeben und etwas neues beginnen. Vor 2000 Jahren war dieses Ereignis für viele Menschen „das Wirken und der Tod Jesu Christi“.

Die Gründung von Gemeinschaften

Die ersten Jahre gab es eine Bewegung von „Asketen“ die sich in den unbewohnten Gebieten des östlichen Mittelmeers ansiedelten.

Der Ägypter Antonius (251-356 n. Chr.) organisierte erste „Einsiedler Gemeinden“, was sich in der Umsetzung als sehr schwierig und anarchistisch herausstellte.

Der ehemalige Römische Offizier „Pachomius“ (292-346 n. Chr.) legte für seine Gemeinschaft, angelehnt an die Militärstruktur, erste Ordensregeln fest. Die sogenannten Engelsregeln.

Die Engelsregeln:

  • Gemeinsam hinter einer Mauer leben
  • Gleichartigkeit der Kleidung
  • Unterordnung durch Zucht und Ordnung
  • Leitung durch Achimandrit oder Abt

Ausbreitung der Ordensgemeinschaften und Ordensgründer

Der Beschluss des Konzils zum Glaubensbekenntnis führte unmittelbar nach dem Konzil zu Annullierungen des Abstimmergebnisses der vornehmlich osteuropäischen Bischöfe, was zu einer Teilung der christlichen Kirche in eine griechisch-orthodoxe und eine lateinische Kirche führte.

Die Ordensgemeinschaften die das Glaubensbekenntnis der Trinität anerkannten folgten nach Westeuropa und Cassian Johannes (360-435 n. Chr.) gründete die ersten zwei Klöster in Marseille, St. Viktor und St. Salvator.

Die Ordensgemeinschaften breiteten sich nun in den Bereichen des damaligen Römischen Reiches vom Mittelmeer Richtung Norden und von den Inseln Irland und England Richtung Süden aus. 

Von Beginn an gab es viele verschiedene Ordensgründerinnen und –gründer, sowie Gemeinschaften, die sich gründeten, veränderten, in Frage stellten und neu orientierten. Dies hatte verschiedenste Gründe. Dabei hatte jede Zeit und jede geschichtliche Epoche auch einen Einfluss auf die Ordensgemeinschaften.

Während die Benediktiner (von Benedikt von Nursia und später Benedikt von Aniane) vornehmlich noch missionierend für die Ausbreitung des Glaubens einerseits, die Urbarmachung des Landes durch Landwirtschaft und der Ansiedlung von Dörfern andererseits und dem Erhalt des antiken Wissens verantwortlich waren, so geht Franziskus von Assisi mit der Rückbesinnung auf Armut in eine Gegenbewegung zu der „reichen Amtskirche und den sich entwickelten reichen Städten“.

Vereinfacht dargestellt sind für einen Großteil der noch heute bestehenden Ordensgemeinschaften drei Personen mit ihren Ordensregeln als Initialgeber verantwortlich:

Benedikt von Nursia (480-547 n. Chr.) Franz von Assisi (1182-1126 n. Chr.) Augustinus von Hippo (354-430 n. Chr.)
529 Benediktiner 1209 Franziskaner 1121 Prämonstratenser
1115 Zisterzienser 1222 Minoriten 1215 Augustiner
1140 Kartäuser 1528 Kapuziner 1215 Dominikaner
    1233 Serviten

Sonderweg der Kanoniker

Parallel zu den Gemeinschaften der Mönche lebten auch Bischöfe in Gemeinschaft mit ihrem Klerus (geweihte Priester) im Andenken an Jesus und die Apostel.

Diese Gemeinschaften, meist an einem Bischofssitz angesiedelt, nannten sich Chorherren oder Domherren. Man unterscheidet zwei Gruppen: 

  • Säkularkanoniker: Keine Ordensregel, mind. einfache Weihe z.B. zum Subdiakon (Weihe auf Zeit), meist Mitglieder des Klerus
  • Regularkanoniker: Monastisches Leben nach einer Ordensregel (meist Augustinus von Hippo), Priesterweihe

Zu den Regularkanonikern zählt man heute die Prämonstratenser, die Augustiner Chorherren und die Kreuzherren. Gemeinschaften die einerseits in einer monarchischen Gemeinschaft leben und sich andererseits die Seelsorge in den Pfarreien zur Aufgabe machen. 

Die am Bischofssitz lebenden Säkularkanoniker hatten meist nur eine Subdiakon-Weihe und bekamen für ihren Unterhalt vom Domkapitel eine Pfründe (Gehalt). 

Meist handelte es sich um zweitgeborene Söhne von Adelsfamilien, die in der Erbfolge nicht berücksichtigt wurden und so eine kirchliche und somit bildende Lebenslaufbahn einschlugen. Dies hatte einerseits keine wirtschaftlichen Folgen für die Familie und andererseits konnte man bei Verlust des Erstgeborenen das Stift auch wieder verlassen, um die Erbfolge in der weltlichen Welt anzutreten.

Ein Prinzip das auch in Damenstifts oder „Annenstifts“ angewandt wurde.

Ein Herz und eine Seele, keiner nannte etwas von dem, was er hatte sein Eigentum, sondern sie hatten es gemeinsam.
Apg.: 4,32-35

Konzil von Nicäa 325

(antike griechische Stadt bei der heutigen türkischen Stadt Iznik am Askaniersee)

Kaiser Konstantin I lud alle Bischöfe der christlichen Kirche nach Nicäa ein. Hierbei sollte zum einen der Arianische Streit (Kann Gott aus drei Personen, dem Vater, Sohn und heiligen Geist bestehen, sog. Trinität) beigelegt werden und zum anderen Regeln (sog. Kanons) für die Religionsgemeinschaft, reichsbindend für das gesamte römische Reich, erstellt werden. Auch die Festlegung des Datums des Osterfestes war Thema.
Alle 1.800 Bischöfe wurden schriftlich eingeladen. Zwischen 200 und 300 folgen der Einladung (Reisekosten trug der Kaiser). Durch die Unterschriftenlisten der Kanons sind die Namen der anwesenden Bischöfe heute noch bekannt. Waren aus den östlichen Bereichen alle Provinzen vertreten so nahmen aus dem westlichen (lateinisch sprachigen Bereich) nur sieben Bischöfe teil. Mit allen Begleitern wird von ca. 2.000 Teilnehmern ausgegangen. Für die damalige Zeit um 325 n.Chr. eine organisatorische und logistische Meisterleistung.
Unter massiver Einflussnahme des Kaisers kam es zur Annahme der Nicäa‘schen Glaubensbekenntnisse der Trinität, dass nach Abreise vom überwiegenden Teil der östlichen Bischöfe annulliert wurde und so den Grundstein zur Trennung der Kirche in den griechisch-orthodoxen und lateinischen Teil führte.

Von den ersten Einsiedlern bis zu modernen Ordensgemeinschaften

Text von ??

Frühes Mönchtum (3. - 5. Jahrhundert):

  • Eremiten: Einzelne Einsiedler, die in der Wüste oder an abgelegenen Orten lebten
  • Gemeinschaftsmönchtum (Koinobitentum): Leben in Gemeinschaft, unter Leitung eines Abtes
  • Regeln: Keine einheitliche Regel, verschiedene Einflüsse (z.B. Bibel, asketische Praktiken).

Augustiner (5. Jahrhundert, späte Reformen):

  • Augustinus von Hippo: Kein detailliertes Regelwerk, eher Leitlinien für ein gemeinsames Leben.
  • Regel: Augustinische Regel, Betonung von Liebe, Einheit, Armut und Gebet ("Ein Herz und eine Seele")

Benediktiner (6. Jahrhundert):

  • Benedikt von Nursia: Gründer des abendländischen Mönchtums
  • Regel: Benediktinische Regel, Betonung von Gebet, Arbeit, Gehorsam und Stabilität („Ora et labora")

Weitere Entwicklungen (11. - 12. Jahrhundert), u. a. 

  • Zisterzienser: Rückkehr zu den Ursprüngen der Benediktiner-Regel, Einfachheit, Arbeit
  • Prämonstratenser: Verbindung von klösterlichem Leben und Seelsorge
  • Regulierte Chorherren: Leben in Gemeinschaft, aber auch seelsorgerische Aufgaben.

Bettelorden (13. Jahrhundert), u. a. 

  • Franziskaner: Armut, Predigt, Dienst an den Armen (Regel: Franz von Assisi)
  • Dominikaner: Studium, Predigt, Kampf gegen abweichende kirchliche Lehren (Häresien) 

Ordensgemeinschaften der Neuzeit (ab 16. Jahrhundert), u. a. 

  • Jesuiten: Ignatius von Loyola, missionarische Tätigkeit, Bildung
  • Kapuziner: Reform der Franziskaner, Betonung der Armut

Entwicklung katholischer Ordensgemeinschaften im 19. Jahrhundert:

Nach den Wirren der Französischen Revolution und der Säkularisation erlebten die Ordensgemeinschaften im 19. Jahrhundert einen Aufschwung. Zahlreiche neue Gemeinschaften wurden gegründet, die sich karitativen Aufgaben, der Bildung oder der Mission widmeten, darunter die St. Josefskongregation, Salesianer oder Don Boscos.

Entwicklung katholischer Ordensgemeinschaften nach dem Zweiten Vatikanum:

Das Zweite Vatikanum (1962–1965) leitete eine Erneuerung der Ordensgemeinschaften ein, forderte sie zur Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen auf und führte zur Entstehung neuer geistlicher Gemeinschaften. Heute engagieren sich Orden in vielen Bereichen, von sozialer Arbeit bis zum interreligiösen Dialog, darunter die Missionarinnen der Nächstenliebe (Mutter Teresa), Gemeinschaft Sant'Egidio, Fokolar-Bewegung