Landkreis / 18. Oktober 2024 – Zum zweiten Mal nahm das Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW) gemeinsam mit engagierten Unternehmen und Institutionen aus dem Landkreis Günzburg am bundesweiten Aktionstag „Schichtwechsel“ teil, der von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen veranstaltet wird. Dabei tauschen Mitarbeiter aus Unternehmen und Verwaltung für jeweils einen Tag ihren Arbeitsplatz mit Beschäftigten aus Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Das Ziel: Vorurteile abbauen und mit Klischees aufräumen.
Beteiligt waren diesmal das Ursberger Ringeisen-Gymnasium, das Landratsamt Günzburg, die Firmen Wanzl, Kögel, Reflexa und AL-KO sowie die Mittelschwäbischen Nachrichten. Aus den Werkstätten St. Simpert und St. Wolfhard des DRW in Ursberg nahmen 17 Beschäftigte beim Schichtwechsel teil. Wir haben drei von ihnen begleitet.
Chefsessel versus Seifentüchlein
200 zartgelbe Seifentücher hat Andreas Merz, Schulleiter des Ursberger Ringeisen-Gymnasiums, am Vormittag bereits gefaltet: Immer abwechselnd zehn Stück mit dem Faltknick in die eine, zehn in die andere Richtung, und zu Fünfzigerstapel für den Wäschewagen bereitgestellt. Ungezählte Waschlappen hat er ebenfalls ordentlich aufgetürmt. „Ich weiß nicht, wie viele es insgesamt waren, weil sie so schnell verräumt wurden“, hebt er bedauernd die Hände. Hochkonzentriert arbeitet er weiter, immer unter den wachsamen Augen von Victoria Bülow, die seine Partnerin aus der WfbM bei diesem Schichtwechsel ist. Als Mitarbeiterin der Wäscherei hatte sie bereits am Vortag ihren Arbeitsplatz mit dem Chefsessel von Andreas Merz im Direktorat getauscht und auf diese Weise Einblick in seinen Arbeitsalltag erhalten. Beim Mathematikunterricht in einer fünften Klasse durfte Victoria Bülow hospitieren. Ebenso bekam sie einen Einblick in die lebhafte Betriebsamkeit des Sekretariats. „Da hat es mir am besten gefallen, als ich Schülerakten aus dem Hängeregister raussuchen durfte“, erzählt sie. Auch Andreas Merz gefällt der Arbeitsplatzwechsel, „weil man da sieht, was man so wegschafft und weil ich hier so kollegial und herzlich aufgenommen wurde“. Das liegt vielleicht auch an Simona, einer weiteren WfbM-Beschäftigten, der er kurz zuvor bei ihrer Arbeit an der Bügelpresse zugeschaut hatte. „Du bisch ja ganz ein Süßer“, befand sie während sie dem Schulleiter anerkennend das Knie tätschelte.
Genauigkeit und handwerkliches Geschick
Gleich drei Beschäftigte der WfbM aus Ursberg fanden für einen Tag bei REFLEXA in Rettenbach einen Arbeitsplatz in Kantine und Produktion. Einer davon war Tobias Schleef, der von Produktionsleiter Thomas Hauke eine Führung durch die Produktionshallen bekam. Dann arbeitete er in der Montage und bei der Endkontrolle mit. Thomas Hauke fand anerkennende Worte für seinen Schichtwechselkollegen: „Den Tobias könnte ich mir gut bei uns in der Produktion vorstellen“, lobte er. Am Werkstatttag in Ursberg bekam Andreas Hagn von REFLEXA Einblick in die WfbM, half bei der Metallverarbeitung an der Stanzmaschine und stellte gemeinsam mit Tobias Schleef Untergestelle für Einkaufswagen her.
Kopfarbeit und Kreativität
Mehr Kopfarbeit als handwerkliches Geschick war beim Schichtwechsel zwischen Helmut Wieser und Annegret Döring gefragt. Die Redakteurin der Mittelschwäbischen Nachrichten (MN) zeigte Helmut Wieser, der im DRW Teil des inklusiven Social Media-Teams Barrierebrecher ist und in der Öffentlichkeitsarbeit arbeitet, den Alltag in der Krumbacher Redaktion. Themenkonferenz und die Abstimmung mit den Kollegen aus Günzburg waren ebenso Teil des Programms wie ein Fototermin in der Krumbacher Bahnhofstraße. An Tag zwei des Schichtwechsels zeigte Helmut Wieser der Redakteurin die Redaktionsräume der Barrierebrecher im Klosterhof in Ursberg sowie das Referat Öffentlichkeitsarbeit. „Ich bin wirklich überrascht, auf welch hohem Niveau hier gearbeitet wird und wie jeder Handgriff sitzt“, sagte Annegret Döring beeindruckt von der Professionalität der Barrierebrecher.
Nächstes Jahr gerne wieder
Ganz außer Konkurrenz und ohne einen Tauscharbeitsplatz anzubieten nahm Barbara Schretter, Regierungspräsidentin von Schwaben, am Schichtwechsel teil. Sie war bereits im Vorfeld so von der Aktion begeistert, dass sie darum bat, einen Vormittag aktiv in den Werkstätten mitarbeiten zu dürfen. Zwischen einer Besprechung im Wissenschaftsministerium und dem Treffen mit dem nordmazedonischen Außenminister stand also der Besuch der industriellen Fertigung der Ursberger Werkstätten in ihrem Terminkalender. Gemeinsam mit den Beschäftigten bestückte die Regierungspräsidentin Halloween-Präsenttütchen für das Günzburger LEGOLAND .
Tolle Eindrücke
Professionalität, hohes Engagement und der sehr herzliche, kollegiale Umgangston in den Werkstätten des DRW machten auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den teilnehmenden Unternehmen großen Eindruck. „Nächstes Jahr komme ich gerne wieder“ und „Ich habe tolle Eindrücke gewonnen“ waren Rückmeldungen, die bei der Abschiedsveranstaltung am Nachmittag fielen. Werner Tyrychter, Organisator des Aktionstages in der WfbM und zuständig für die Integration der Beschäftigten in den allgemeinen Arbeitsmarkt, sagte zum Abschluss: „Das Format birgt viel Potenzial. Wir werden im kommenden Jahr wieder teilnehmen.“
Text: Petra Nelhübel
Bilder/Videos: Bayram Er