Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine: In Ursberg helfen alle mit

Der Krieg in Osteuropa hat ein großes Gemeinschaftswerk in Gang gesetzt – Wie sich Institutionen und Freiwillige für die Aufnahme der Menschen und eine große Willkommenskultur stark machen

Datum: 18. März 2022, 12:16 Uhr
Einmal auf einem Pferd reiten: Dieser Wunsch ging in Ursberg für die sechsjährige Maria aus Donezk in der Ukraine in Erfüllung.

Ursberg/18. März 2022 – Kurz vor 8 Uhr morgens in Ursberg. Vor drei Wochen hat der Krieg in der Ukraine begonnen. Fast 30 Menschen auf der Flucht sind bislang in Ursberg untergekommen. Für sie sind die Tische im Vereinsheim des Dominikus-Ringeisen-Werks (DRW) gedeckt. Mit etwas verschlafenen Augen treffen zuerst die Kinder ein – das Jüngste ist drei Jahre alt – dann kommen ihre Mütter und Großmütter. Jetzt gibt es erst mal Frühstück. Das Essen wird, genau wie das Mittag- und Abendgericht, von der Zentralküche des DRW in Ursberg geliefert und von Ehrenamtlichen verteilt. Zur Mahlzeit gibt es jedes Mal wertvolle Informationen für die Geflüchteten: Wo kann man Wäsche waschen? Welche Formalitäten sind wichtig? Wo gibt es konkrete Hilfe? Daran, dass diese Organisation in Ursberg so gut funktioniert, haben viele Anteil.

Die Corona-Pandemie, die das DRW immer noch vor große Herausforderungen stellt, ist noch in vollem Gange, da kommt schon die nächste Krise, die ebenfalls ganz Europa betrifft: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Schon als die ersten Flüchtlinge Deutschland erreichten, war dem Vorstand des Dominikus-Ringeisen-Werks klar: „Wir leisten unseren Beitrag.“ Man bot dem Bezirk Schwaben an, als Erstunterkunft für Geflüchtete bereitzustehen und maximal 100 Plätze vorzuhalten. Umgehend begann die Organisation. Eine zentrale Koordinationsleitung wurde eingerichtet, die in stetem Austausch mit den Behörden ist. Es mussten geeignete Räumlichkeiten gefunden werden, um Menschen aufnehmen zu können. In kurzer Zeit wurde eine lückenlose humanitäre Infrastruktur errichtet. Kurz nach dem Eintreffen der ersten Geflüchteten am 7. März, eine Grußmutter mit ihrem Enkelsohn, war ein Willkommensblatt auf Ukrainisch mit den wichtigsten Informationen zu Ursberg fertig. Den Text übersetzt hatte – dank des schnell geknüpften Netzwerks der Hilfsbereitschaft – eine aus der Ukraine stammende Ehrenamtliche.

Die Ursberger haben ein gemeinsames Anliegen

Grundlegend für all diese organisatorischen Maßnahmen ist für die Ursberger das gemeinsame Anliegen, geflüchteten Menschen eine sichere Unterkunft und ein freundliches Willkommen geben zu wollen. Dafür ziehen viele Menschen und Institutionen an einem Strang: Neben dem Dominikus-Ringeisen-Werk und der St. Josefskongregation, die geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stellten, beteiligte sich die Schwestern- und Werkfeuerwehr tatkräftig am Aufbau von 50 Feldbetten. Eine selbstorganisierte Gruppe Ehrenamtlicher aus der Bürgerschaft, die bereits bei der Hilfe für Geflüchtete 2015 angepackt hatte, leistet praktische Hilfe, Fahrdienste und begleitet einzelne Geflüchtete zu Terminen bei Behörden oder zum Arzt. Die Handwerksbetriebe des DRW arbeiteten innerhalb von wenigen Tagen ein ehemaliges Wohnheim auf, das eigentlich auf seine Kernsanierung wartete: Elektro-, Sanitär- und Malerarbeiten wurden erledigt, Böden verlegt und der Internetzugang eingerichtet. Zur Erstausstattung der Menschen, die oft nur mit den Kleidern, die sie auf der Flucht getragen haben, nach Deutschland kommen, ließ sich u. a. auch der DRW-Zentraleinkauf einspannen.

Medizinische Versorgung

Indes übernimmt das Medizinische Versorgungszentrum Ursberg (MVZ) die Corona-Tests der Neuankömmlinge und kümmert sich um deren medizinische Bedarfe. Am DRW-Krankenhaus St. Camillus gibt es einen Arzt, der ukrainischer Abstammung ist und deshalb die wichtigsten Informationen in der Muttersprache der Gäste mitteilen kann. Er ist als Dolmetscher Mittelsmann für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, den DRW-Koordinatoren und den Geflüchteten, von denen nur wenige etwas englisch und nur vereinzelt deutsch sprechen. Dazu kommen ukrainisch-stämmige Mitbürger aus der Umgebung, die ebenfalls wertvolle Übersetzungsdienste leisten. Wenn es schnell gehen muss und kein Übersetzer zugegen ist, helfen Übersetzungs-Apps. Davon profitiert zurzeit vor allem ein Geflüchteter junger Mann, der taubstumm ist und eine Bleibe in Ursberg gefunden hat.

Geflüchtete helfen mit

Betten, Matratzen, Tische, Stühle, Schränke und Spielzeug: Vieles findet sich im „Lagerhaus kost-bar“ des DRW in Ursberg. Leiterin Rosa-Maria Brückner hat schnell festgestellt, dass sich die ukrainischen Frauen gerne einbringen würden statt nur untätig rumzusitzen. Sie helfen beim Sortieren und Verteilen der Gegenstände. Und wie sieht es mit regulären Arbeitsplätzen für Geflüchtete aus? „Ein Großteil fragt nach einer möglichen Beschäftigung. Es wäre schön, wenn Geflüchtete mit längerfristigem Aufenthalt und Erfahrung in der Pflege auch bei uns arbeiten könnten“, berichten Wolfgang Unger und Constantin Uecker, die die Flüchtlingskoordination des DRW leiten. Die beiden sind das organisatorische Herz der Ukraine-Hilfe vor Ort, sie bündeln Informationen und leiten sie an die unterschiedlichen Hilfsgruppen weiter.

Sorge um die Kinder: Maria reitet auf einem Pferd

Was die Kinder und Jugendlichen vor und während der Flucht erlebt haben und wie sehr sich grausame Erfahrungen und Angst in ihre Seelen gebrannt haben mögen, ist kaum zu ermessen. Die Ursberger möchten ihnen so gut es geht einen normalen Tagesablauf bieten. Die Kinder haben teilweise noch online-Schulunterricht. Die Lehrerinnen und Lehrer unterrichten sie via Internet aus der Heimat. Am Nachmittag bekommen sie Sprachunterricht in Ursberg und Thannhausen. Unbeschwert spielen können sie u. a. auf den Ursberger Spielplätzen. Zu diesen Kindern gehört die sechsjährige Maria aus Donezk im Osten der Ukraine. Maria ist mit ihrer kleinen Schwester, ihrer Mutter, Tante und Oma geflüchtet. Nach 72 Stunden Fahrt ist die Familie in der vergangenen Woche in Ursberg angekommen. Vater und Opa sind in der Heimat geblieben. „Wir halten über das Internet Kontakt zu ihnen“, erzählt Oma Jana. Ihre Enkelin hat bei einem Spaziergang die Pferde des Ursberger Reitstalls St. Leonhard gesehen und war fasziniert von den Tieren. „Sie hat noch nie auf einem Pferd gesessen. Es war ihr großer Geburtstagswunsch“, berichtet Mutter Alina. Und Oma Jana ist sicher: „Daran wird sich Maria noch lange erinnern.“

Bald auch Menschen mit Behinderung?

Dass das DRW gerne Geflüchtete mit Behinderung aufnehmen würde, wurde bereits gemeldet. Wie das im Einzelnen gelingen kann, darüber sind Wolfgang Unger und Constantin Uecker mit den Behörden im Gespräch. Noch ist nicht absehbar, wie sich die Situation entwickeln wird. Jeder Tag ist spannend und neu. In Ursberg aber sind alle zuversichtlich, dass man diese große Infrastruktur der Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe weiterhin aufrechterhalten kann, solange man nur so eng zusammensteht.

Möchten auch Sie für die in Ursberg angekommenen Geflüchteten aus der Ukraine spenden? Um elementare persönliche Dinge unbürokratisch und schnell besorgen zu können, sind Geldspenden unerlässlich! Vielen Dank für Ihre finanzielle Hilfe, um passgenaue Schuhe, Unterwäsche und Kleidung in besonderen Konfektionsgrößen, Medikamente, Hilfsmittel, Passfotos, Fahrkarten, Handys und Aufladekarten kaufen zu können: DE62 7509 0300 0400 1372 00 Stichwort „Ukraine“ oder online unter www.drw.de/spenden. Uns überlassene Spendengelder, die wir nicht zur Deckung des Bedarf der Ukraine-Flüchtlinge benötigen, übergeben wir der Bürgerstiftung Landkreis Günzburg für die Flüchtlingsarbeit.

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