Ursberg/24. Februar 2021 – Vor 25 Jahren, im Januar 1996, überführten die Schwestern der St. Josefskongregation Ursberg offiziell das Dominikus-Ringeisen-Werk in eine kirchliche Stiftung. Das Datum war ein Doppelpunkt, dem ein jahrelanges Ringen um das Erbe des Einrichtungsgründers vorausgegangen war. Zum Jahrestag der Stiftungsgründung wurde nun erstmals die Ringeisen-Medaille, die höchste Auszeichnung, die das Dominikus-Ringeisen-Werk vergibt, an zwei Architekten dieser Reform verliehen: An die damalige Generaloberin Sr. M. Evangelista Höfer CSJ und an Monsignore Johann Wagner, vor einem Vierteljahrhundert Geistlicher Direktor der Schwestern. Sie wurden für eine wegweisende Entscheidung geehrt, die einem der größten Sozialträger Bayerns die Zukunft sichern sollte. Die Ringeisen-Medaille kann an Personen oder Gruppen verliehen werden, die sich in bewundernswerter Weise für die begleiteten Menschen im Dominikus-Ringeisen-Werk eingesetzt haben oder, die sich aufgrund ihres Einsatzes für das Dominikus-Ringeisen-Werk als Unternehmen in besonderer Weise verdient gemacht haben.
Leicht war es nicht für die Schwestern der St. Josefskongregation, das Werk nach 92 Jahren der alleinigen Verantwortung für Menschen mit Handicap abzugeben. Dominikus Ringeisen (1835-1904) selbst hatte die St. Josefskongregation 1897 mit staatlicher und kirchlicher Genehmigung aus der Taufe gehoben, um seiner stetig wachsenden Zahl an Mitarbeiterinnen Beheimatung und Sicherheit im Rahmen einer klösterlichen Lebensform zu bieten. Sie hatten das Werk nach seinem Tod als Erbe übernommen, es fortgeführt und erweitert. Sie waren in der Pflege, in der Verwaltung und im Handwerk tätig gewesen, hatten Schulen gegründet und die Arbeit für Menschen mit Behinderung fachlich vorangetrieben. Bedeutende Meilensteine waren unter anderem die Gründung der Fachschulen für Heilerziehungspflege und Altenpflege in Ursberg.
Immer weniger Schwestern, immer mehr Aufgaben
Doch spätestens in den 1980er Jahren war ein Trend unübersehbar: Immer weniger junge Frauen fanden den Weg in die Ordensgemeinschaft. Immer größer wurden Werk und Aufgaben: Die Zahl der Mitarbeitenden in Ursberg und in den damaligen so genannten Filialen in Pfaffenhausen, Breitbrunn, Kloster Holzen und Maria Bildhausen in Unterfranken war von rund 300 im Jahr 1970 auf über 2.000 in 1995 gestiegen. Das Verhältnis zwischen den Schwestern und den „weltlichen Mitarbeitern“ hatte sich längst verschoben. Für die Schwestern wurde der Spagat zwischen dem Wunsch, Menschen mit Handicap zu dienen und den zunehmenden Management-Anforderungen eines großen Sozialunternehmens einfach zu groß.
„Wir schaffen es alleine nicht mehr“
Sr. Evangelista Höfer hatte als erste Generaloberin den Mut, den Gedanken auszusprechen, den sich andere Mitschwestern zu diesem Zeitpunkt noch nicht so recht eingestehen mochten: „Wir schaffen es alleine nicht mehr“. Die 8. Generaloberin von 1987-1999 war zutiefst davon überzeugt, dass sie ihr Amt für eine grundlegende Reform des Werks nutzen sollte, und dass der Zeitpunkt gekommen war, einen wichtigen und nötigen Schritt zu tun. Die Reaktion auf ihre Ankündigung im Generalkapitel 1993 wertete sie als Beleg dafür, auf dem richtigen Weg zu sein: „Die Schwestern wurden von dem Gedanken schnell erfasst und haben ihn mitgetragen“, berichtete Sr. Evangelista, die am Tag der Verleihung der Ringeisen-Medaille ihren 90. Geburtstag feierte, und fügte hinzu: „Ich selbst war von Anfang an davon überzeugt, dass das richtig ist.“ Allerdings sei es ihr wichtig, diese Auszeichnung nur im Namen der gesamten Kongregation entgegenzunehmen. Schließlich hätten sehr viele Menschen an der Gründung aktiv mitgewirkt. Trotzdem bescheinigte ihr die heutige Generaloberin Sr. Katharina Wildenauer in ihrer Laudatio: „Es gehört Mut dazu, zur eigenen Schwäche zu stehen. Es gehörte Mut dazu, den Schwestern, ja der Außenwelt diese Schwäche vor Augen zu führen.“
Augsburger Bischof Dammertz unterschrieb das Stiftungsdekret
Einen kongenialen Mitstreiter fand Sr. Evangelista vor allem im 1992 eingeführten geistlichen Direktor der St. Josefskongregation, Pfarrer Johann Wagner, „ein mutiger und kreativer Wegbegleiter“, wie Sr. Katharina Wildenauer ihn charakterisierte. Wagner wiederum, der bis 2004 das Amt innehatte, nahm Kontakt zum bischöflichen Ordinariat in Augsburg auf. Gemeinsam mit zahlreichen Experten kam man überein, die Rechtsform einer kirchlichen Stiftung öffentlichen Rechts zu wählen, die die Nachfolge der St. Josefskongregation in der Verantwortung für das Werk übernehmen sollte. Das Neue: Das Werk wird jetzt nicht mehr von der Generaloberin geleitet, sondern von einem Vorstand und dessen Vorsitzendem. Nach vielen Jahren der Planungen und juristischer wie organisatorischer Detailarbeit, wurde der Stiftungsakt am 20. September 1995 im Kapitelsaal des Mutterhauses in Ursberg im Beisein der delegierten Schwestern der St. Josefskongregation von Generaloberin Sr. Evangelista unterzeichnet. Am gleichen Tag erließ der damalige Augsburger Bischof Viktor Josef Dammertz das Dekret, welches das Dominikus-Ringeisen-Werk als Stiftung nach kirchlichem Recht ausdrücklich ins Leben rief. Am 1. Januar 1996 begann sie offiziell ihre Arbeit.
Wie sich Stiftung und Schwesternschaft entwickelten
Die Schwestern der St. Josefskongregation hatten stets viel Liebe und Herzblut in ihr Dominikus-Ringeisen-Werk investiert. Sr. Evangelista Höfer beschrieb deren Haltung in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Kongregation 1997 so: „…es war grenzenloses Vertrauen, das die Schwestern finanzielle und materielle Not tragen und ein Übermaß an Arbeit leisten ließ.“ Nur allzu verständlich ist es deshalb, dass die rationale Einsicht, das Ringeisen-Werk Zukunftsfest zu machen, begleitet wurde von vielen hoch emotionalen Momenten der Trauer um das groß gewordene Kind, das das Haus nun endgültig verlassen hatte, um sein Leben selbstständig weiterzuführen. Vieles hat sich in den 25 Jahren seit Gründung der Stiftung verändert. Längst ist sie erwachsen geworden. Mittlerweile sind über 4.600 Menschen in den unterschiedlichen Bereichen des Werks tätig, werden über 5.000 hilfsbedürftige Menschen begleitet, gibt es über 30 Standorte in drei bayerischen Regierungsbezirken.
Wo heute noch Schwestern leben
Während die Stiftung beständig wuchs, prägen die Schwestern das Bild Ursbergs und der übrigen Standorte längst nicht mehr. Viele Konvente sind mittlerweile aufgelöst. Ende Januar 2021 lebten noch 76 Schwestern in der St. Josefskongregation. 65 in Ursberg, drei in Breitbrunn am Ammersee, fünf im Krumbad und drei in Pfaffenhausen. Zu seiner Blütezeit 1937 hatte der Orden noch 1.067 Schwestern gezählt. Präsent sind sie allerdings immer noch. Die Stiftungssatzung setzt die Generaloberin an die Spitze des Aufsichtsgremiums der Stiftung, des Stiftungsrats, und auch die Generalökonomin ist hier vertreten. Die St. Josefskongregation verantwortet weiterhin Ringeisen-Gymnasium und Klosterbräuhaus in Ursberg und ist Gesellschafterin der Heilbad Krumbad GmbH. Aktiv geblieben ist auch ihr geistliches Leben. Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 entfaltete sich ein Banner auf dem Vordach des Mutterhauses in Ursberg mit der Mut machenden Botschaft: „Wir denken an Euch und beten für Euch in dieser Coronazeit!“ Als Überschrift wählten die Schwestern ihren Leitsatz: „Das Vertrauen auf Gott ist unser Leben.“