Krumbach / Ursberg / 29. September 2025 – Seit 19 Jahren pflegen Daniela und Kai Saloustros ihre schwer mehrfachbehinderte Tochter Lisa zu Hause. Um Kraft zu tanken, versucht die Familie einmal im Jahr mit ihrem Sohn und ohne Lisa in den Urlaub zu fahren. Dafür ist ein Kurzzeitpflegeplatz nötig, und genau der ist für Menschen mit Behinderung oft kaum zu bekommen. Deshalb hat die Familie Saloustros in Ursberg ein Treffen mit dem CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sowie den Landtagsabgeordneten Jenny Schack und Carolina Trautner, die auch Landesvorsitzende der Lebenshilfe ist, organisiert. Auch Vertreter des Dominikus-Ringeisen-Werks nahmen an dem Gespräch teil. Seit ihrem dritten Lebensjahr besucht Lisa dessen schulische Einrichtungen, mehrfach war sie bereits zur Kurzzeitpflege in den Kinder- und Jugendwohneinrichtungen St. Martin und St. Franziskus zu Gast.
Ihre Situation stehe stellvertretend für viele pflegende Angehörige. In den letzten Jahren sei es immer schwieriger geworden, einen Platz für Tochter Lisa zu finden, sagte Daniela Saloustros in Ursberg. Teilweise habe man nur nach massivem Intervenieren eine Zusage erhalten. Dazu komme jede Menge Bürokratie: „Für jeden Aufenthalt gilt Lisa als Neuaufnahme.“ Das heißt: neue Vorstellung, neue Kostenklärung, jede Menge Unterlagen, die eingereicht werden müssen. Für die Familie bedeutet das einen enormen Aufwand: „Die Hürden sind so hoch, dass man manchmal schon gar keine Lust mehr auf den Urlaub hat“, so Daniela Saloustros.
Diese Auszeit von Pflege und Betreuung rund um die Uhr sei elementar wichtig, sagte Kai Saloustros: „Wenn pflegende Angehörige keine Entlastung bekommen, haben sie irgendwann keine Kraft mehr. Fällt meine Frau aus, kann ich auch nicht mehr arbeiten. Das hat Folgen für uns als Familie und auch für die Gesellschaft“, so Saloustros weiter. Ein zu geringes Angebot an Kurzzeitpflegeplätzen habe massive ökonomische Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Der Ingenieur stellte deshalb Berechnungen vor, nach denen durch mehr Kurzzeitpflegeplätze mehrere hundert Millionen Euro im Pflegesystem eingespart werden könnten: „Je länger Menschen mit Behinderung zu Hause gepflegt werden, desto später müssen sie stationär versorgt werden, was deutlich teurer sei. Kurzzeitpflege wirkt wie ein Hebel, entlastet Familien, verzögert Heimeintritte und spart Kosten. Das ist menschlich und volkswirtschaftlich sinnvoll.“
Wie groß der Druck ist, verdeutlichte Klaus Holetschek: „86 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland werden von Angehörigen versorgt. Gleichzeitig rechnen wir bis 2050 mit rund einer Million Pflegebedürftigen und 400.000 Menschen mit Demenz. Dabei ist – wie das Beispiel der Familie Saloustros Pflegebedürftigkeit keine Frage des Alters.“ Trotz vieler Bemühungen seien Kurzzeitpflegeplätze gerade für Menschen mit Behinderung rar. Immerhin seien über das Programm ‚PflegesoNah‘ im laufenden Förderjahr 2025 bereits 22 Projekte mit einem Fördervolumen von rund 45 Millionen Euro bezuschusst worden – und damit 1.200 Pflegeplätze in ambulant betreuten Wohngemeinschaften sowie in Tagespflege-, Dauerpflege- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen.
„Pflegende Angehörige sind der wichtigste und der größte Pflegedienst. Ihre Situation zu verbessern, war mir schon als Bayerischer Pflegeminister ein Herzensanliegen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass Bayern mit dem Förderprogramm ‚PflegesoNah‘ bereits seit dem Jahr 2020 sowohl die Modernisierung und den Umbau als auch die Schaffung von Pflegeplätzen unterstützt. In den vergangenen fünf Förderjahren konnten wir mit knapp 350 Millionen Euro 7.361 Pflegeplätze fördern – das wollen wir auch weiter so vorantreiben“, so Holetschek.
Als Einrichtung könne man ohne entsprechende Vereinbarungen mit den Kostenträgern nicht unbegrenzt Kurzzeitpflegeplätze anbieten, erklärte DRW-Vorstandsmitglied Wolfgang Tyrychter: „Jeder Platz, der nicht durchgehend belegt ist, verursacht ein Defizit, das wir als Träger nicht kompensieren können.“ Positiv sei eine Sondervereinbarung, die das Dominikus-Ringeisen-Werk mit dem Bezirk Schwaben abschließen konnte. Dieser finanziere eineinhalb Plätze für die Kurzzeitpflege von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung, die ganzjährig zur Verfügung stünden. Insbesondere in den Ferienzeiten reichten die Kapazitäten allerdings bei weitem nicht aus. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die ganz unterschiedlichen Bedarfe der Kinder und Jugendlichen an Kurzzeitpflege passten oft nicht zum Angebot, so Elmar Müller, Gesamtleiter für die Kinder- und Jugendwohneinrichtungen in Ursberg. „Wir haben die eineinhalb Plätze in drei Wohngruppen mit jeweils anderen Betreuungsschwerpunkte verteilt. Oft passen die individuellen Anforderungen nicht zu den bestehenden Angeboten.“
Früher habe man Zimmer, die in den Ferien oder über ein Wochenende nicht belegt waren, für Kurzzeitpflege nutzen können. Mittlerweile wird dies durch entsprechende Vorschriften verhindert, selbst wenn Bewohner und Angehörige einverstanden wären, erläuterte DRW-Vorstandsmitglied Josef Liebl. „Es ist grundsätzlich gut, dass Privatsphäre geschützt wird. Aber manchmal bräuchte es mehr Pragmatismus“, fügte Kai Saloustros hinzu. Josef Liebl fordert mehr Kurzzeitpflegeplätze, weniger Bürokratie und mehr Flexibilität: „Jede Einrichtung sollte eine bestimmte Zahl an Plätzen vorhalten, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Dafür braucht es eine auskömmliche Finanzierung.“ Auch Heilpädagogische Tagesstätten oder Förderstätten könnten seiner Meinung nach am Wochenende geöffnet werden, um Angehörige stundenweise zu entlasten.
Um hier neue Wege gehen zu können, brauche es Gesprächsformate zwischen Sozialträgern, Bezirken und Politik, so Liebl. Holetschek, Schack und Trautner sagten zu, diesen Prozess anzustoßen. Auch die Tatsache, dass jeder Kurzzeitpflegeaufenthalt wie eine Neuaufnahme behandelt werde, müsse abgeschafft werden, sagte Klaus Holetschek und kündigte an, das Thema bei den zuständigen Behörden mit Nachdruck einzubringen. Denn, und darin waren sich alle Beteiligten einig, Kurzzeitpflege ist kein Luxus, sondern unverzichtbare Unterstützung für Familien und pflegende Angehörige.