Ein besonderer Baum gegen das Vergessen

Korbinians-Apfelbäume erinneren an die NS-Euthanasieopfer

Datum: 18. November 2025, 8:00 Uhr
In Maria Bildhausen steht ein Korbiniansapfel-Baum: Alexander Becker (KlosterGärtnerei) Maximilian Christau (Zelt-Schullandheim) Julia Herrmann (Gesamtleitung DRW Unterfranken) und Maria Krines (Religionspädagogischer Fachdienst) haben ihn im Bereich des Mahnmals für die NS-Euthanasieopfer gepflanzt.
In Ursberg haben Martin Dietmaier-Koch (Stabstelle Seelsorge, Ethik und Pastoral) und Robert Dieminger (Klostergärtnerei) den Korbiniansapfel gepflanzt. Im Hintergrund ist der Gedenkort "Menschen aus unserer Mitte" zu sehen.

Ursberg, 18. November 2025 – Zum 85. Jahrestag der ersten Deportationen von Menschen mit Behinderung durch die Nationalsozialisten wird in Ursberg und im unterfränkischen Maria Bildhausen ein Korbinians-Apfelbaum als lebendiges Mahnmal gepflanzt. Die Aktion verbindet das Gedenken an die Opfer der NS-Euthanasie mit der Baumpflanz-Challenge, einem aktuellen Trend in den sozialen Medien. Am 18. und 19. November 1940, also genau vor 85 Jahren, wurden erstmals Menschen mit Behinderung aus den Einrichtungen der St. Josefskongregation verschleppt. 150 Personen umfasste die erste Deportation der nationalsozialistischen "Aktion T4". Dahinter verbarg sich die systematische Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen, die von den Nationalsozialisten als „lebensunwert“ eingestuft wurden. Bis August 1941 wurden insgesamt 519 Menschen aus den Ursberger Einrichtungen deportiert, 379 von ihnen wurden in Tötungsanstalten ermordet. Die meisten von ihnen starben in der Gaskammer von Schloss Hartheim bei Linz.

Anlässlich dieses traurigen Jahrestags setzen das Dominikus-Ringeisen-Werk und die St. Josefskongregation in Ursberg und Maria Bildhausen (Unterfranken) nachhaltige Zeichen der Erinnerung: Apfelbäume sollen als lebendiges Zeichen an die Gewalt gegen Menschen mit Behinderung erinnern. Gepflanzt wird der sogenannte Korbiniansapfel. Die Sorte wurde vom katholischen Pfarrer Korbinian Aigner während seiner Inhaftierung im KZ Dachau gezüchtet. Heimlich zog er Setzlinge zwischen den Baracken und nannte sie „KZ-3“. Es gelang ihm, einige dieser Setzlinge aus dem Lager zu schmuggeln und so zu bewahren. Der kürzlich erschienene Dokumentarfilm „Ein stummer Hund will ich nicht sein“ erzählt die Geschichte des sogenannten „Apfelpfarrers“, der im April 1945 auf einem der berüchtigten Todesmärsche fliehen konnte, und so den nationalsozialistischen Terror überlebte. 

„Es liegt heute an uns, das Leben anderer zu achten“, betont Sr. M. Katharina Wildenauer, Generaloberin der St. Josefskongregation. Dazu gehöre eine zeitgemäße Erinnerungskultur. „Das sind wir den Opfern der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten schuldig.“ Für Martin Riß, Vorstandsvorsitzender des Dominikus-Ringeisen-Werk ist das Gedenken an die Opfer der NS-Euthanasie ist ein zentraler Bestandteil der DRW-Identität: „Es ist unsere Pflicht, dass wir in unserem Denken, Reden und Handeln die Erinnerung stets wachhalten, gerade in Zeiten, in denen sich die äußeren Lebensumstände entscheidend zu verschlechtern drohen. Am 85. Jahrestag der ersten Deportationen aus unseren Einrichtungen setzen wir mit diesem Baum ein bewusstes Zeichen: Jedes Leben ist wertvoll und unantastbar. Unser Auftrag: Schütze das Leben."

Von der Challenge zum Gedenken
Die Pflanzung verbindet das Gedenken mit der Gegenwart. So ist das Dominikus-Ringeisen-Werk in den vergangenen Wochen mehrfach für die Social-Media-Aktion "Baumpflanz-Challenge" nominiert worden. Dabei pflanzen Institutionen, Vereine und Unternehmen einen Baum, veröffentlichen dies auf ihren Social-Media Kanälen und nominieren weitere Akteure, die ebenfalls einen Baum pflanzen sollen. Diese Nominierung wurde nun zum Anlass genommen, ein nachhaltiges Zeichen zu setzen. "Damit binden wir beides zusammen", sagt Martin Dietmaier-Koch von der Stabsstelle Seelsorge, Ethik & Pastoral. "Wir sensibilisieren für dieses traurige und schwere Erbe und nutzen gleichzeitig den Social-Media-Trend um vor allem auch junge Menschen auf das Thema „NS-Euthanasie“ aufmerksam zu machen." 

Hier erfahren Sie mehr über die Opfer der NS-Euthanasie und die Erinnerungsorte im Dominikus-Ringeisen-Werk.

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